Schwarz-weiß-Denken

16.12.2025 | Sabine Langrock

Überlebensprogramm mit Nebenwirkungen

Bei meiner Laufrunde am Fluss komme ich an einer Bank vorbei, die je zur Hälfte schwarz und weiß gestrichen ist. Eigentlich als Eintracht Fangruß gedacht, ist sie für mich eine Metapher für etwas, das mir im #Coaching oft begegnet: Menschen, die die Welt dichotom sortieren.
 

Schwarz oder weiß. Richtig oder falsch. Diese Gedanken kommen schnell, fühlen sich wahr an und blenden gnadenlos alles aus, was dazwischen liegt.
Eine schnelle innere Festlegung, die schon steht, bevor die Zwischentöne überhaupt eine Chance haben. Oft durchzieht dieses Muster den Alltag: wie Menschen sich selbst beurteilen, Konflikte einordnen, Reaktionen anderer deuten.

Schwarz-Weiß-Denken ist kein Fehler. Es ist ein Überlebensprogramm.
Das Gehirn sucht Orientierung und greift auf klare Pole zurück, weil sie Unsicherheit reduzieren. Unter Stress passiert das noch schneller, weil differenziertes Wahrnehmen mehr Energie braucht, als gerade verfügbar ist.

Unser inneres System stellt dann radikal auf Eindeutigkeit um: Eine Seite übernimmt das Steuer und definiert, was jetzt gelten darf. Alles, was nicht dazu passt, rutscht in den Hintergrund. Doch diese Klarheit hat ihren Preis: Sie führt oft zu viel Druck, weil sie keinen Raum für Zwischentöne lässt.

Eine Führungskraft erzählt mir: „Wenn ich nicht die volle Verantwortung übernehme, bedeutet das doch, dass ich nicht loyal bin."
Doch zwischen ‚Ich opfere mich auf' und ‚Es ist mir gleichgültig' gibt es viele Ausprägungen. Man kann Verantwortung zeigen und gleichzeitig Grenzen setzen. Nicht als Kompromiss, sondern als Sowohl-als-auch. Es geht darum, Spannungen auszuhalten und sich Mehrdeutigkeit zu erlauben.

Im Coaching ist ein erster Schritt, sich das eigene Denkmuster bewusst zu machen und zu verstehen, welche Funktion es erfüllt.

Sehr hilfreich erlebe ich die hypnosystemische Perspektive: Wenn ein Teil von mir so stark auf Leistung und Verantwortung setzt, welcher andere Teil in mir wünscht sich eigentlich gerade das Gegenteil? Mehr Pause, mehr Leichtigkeit, mehr „Es reicht“. Allein anzuerkennen, dass es auch diesen Anteil in mir gibt, öffnet schon einen Spalt in der Tür.

Ich arbeite gerne mit dem Bild eines Schiebereglers, um den Bereich zwischen Schwarz und Weiß sichtbar zu machen. Er ist für mich auch eine Einladung an die inneren Anteile: Wie kann ich nicht nur der lauten Stimme Gehör schenken, sondern auch der leisen, die bisher keinen Platz hatte?

Wenn ich beide Stimmen bewusst wahrnehme und würdige, statt eine davon wegzudrücken, entsteht nach und nach Bewegung. Vom Entweder-oder hin zu einer Sowohl-als-auch-Haltung.

Schwarz und weiß. Und viele Grautöne dazwischen.

Seit diese Bank in mein Blickfeld gerückt ist, freue ich mich bei jeder Runde über sie. Sie erinnert mich daran, wie verlockend klare Gegensätze sind und wie viel Wahrheit dazwischen liegt.

Wo in deinem Alltag rutschst du ins Entweder-Oder?
Und welche Zwischentöne oder inneren Stimmen könntest du dort auch wahrnehmen?

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